"Bauen muss einfacher werden"
Sögel, 30.06.2025. Im Rahmen des Dialogformats „Auf den Punkt gebracht!“ diskutierten Fachleute aus Bauwirtschaft, Verwaltung, Genossenschaftswesen und Finanzsektor über eines der aktuell drängendsten Themen in der Region: Bauen im Emsland – von der Genehmigung bis zur Finanzierung. Dabei wurde deutlich, dass erheblicher Reformbedarf bei den Themen Digitalisierung, Baustandards und Förderpraxis besteht.
Auf Einladung des Landtagsabgeordneten Hartmut Moorkamp (CDU) informierten und diskutierten Dr. Michael Kiehl, Baudezernent des Landkreises Emsland, Gerrit Terfehr, Obermeister der Bauinnung Aschendorf-Hümmling, Saskia Lüke-Bruns, Baufinanzierungsberaterin der Sparkasse Emsland, und Jens Willerding als Vertreter der Bürgergenossenschaft Rhede (Ems) in den Räumen der Knipper BauXpert in Sögel über Herausforderungen und Perspektiven des Bauens im Emsland. Man müsse mit Sorge feststellen, so Moorkamp, dass junge Menschen sich aktuell kaum ein Eigenheim leisten können. Es sollte Ziel sein, jungen Familien zu ermöglichen, Wohneigentum schaffen, um in ihrer Heimat Fuß zu fassen.
Ein zentrales Thema des Abends war die zunehmende Komplexität von Bauvorschriften und Genehmigungsverfahren. Michael Kiehl verwies auf die fortschreitende Digitalisierung im Landkreis Emsland. Zwar könne ein Bauantrag inzwischen digital angestoßen werden, jedoch gebe es bundesweit in 16 Ländern 16 Systeme – und selbst innerhalb der Bauaufsichtsbehörden seien die Unterschiede in den IT-Lösungen erheblich. Der Wunsch nach einem vereinheitlichten, durchgängigen Verfahren sei deutlich spürbar.
Gerrit Terfehr kritisierte, dass sich gerade im geförderten Wohnungsbau viele Entwicklungen gegenseitig ausbremsten. Die hohen energetischen Anforderungen bei KfW-Förderprogrammen führten zu Kostensteigerungen, die in der Regel durch die Fördermittel nicht abgedeckt würden. Das gelte sowohl für Investoren als auch für viele Privatleute. „Viele Haushalte sind finanziell schlicht zu eng aufgestellt, um Bauwünsche zu erfüllen“, so Terfehr. Dabei sei Wohnraum dringend erforderlich – sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten. Er forderte mehr Mut von den Entscheidungsträgern, um praxisnahe Lösungen zu ermöglichen, etwa durch das Absenken von Standards. Ein Blick in die Niederlande zeige, dass Wohnraumförderung auch einfacher, effizienter und bürgernäher gestaltet werden könne – auch wenn dort die Genehmigungspraxis langwieriger sei als im Emsland.
Der Bankensektor und die Wohnungsgenossenschaften sehen die Planungsunsicherheit als Problem. Saskia Lüke-Bruns von der Sparkasse Emsland hob hervor, dass sich lange Planungsprozesse in der Praxis oft als Hindernis erwiesen. Förderbedingungen änderten sich regelmäßig und unvermittelt – was zu Unsicherheit bei Bauherren, zu wiederholtem Nachjustieren oder zu Hindernissen bei der Baufinanzierung führe. Es sei allerdings zu beobachten, dass sich viele Bauinteressenten angesichts gestiegener Baukosten und höherer Zinsen bereit erklärten, „kleiner“ und damit kostengünstiger zu bauen.
Auch Jens Willerding von der Bürgergenossenschaft Rhede (Ems) brachte praktische Perspektiven ein. Angesichts der hohen Zahl von Menschen im Emsland, die bereits Sozialleistungen erhalten, sei die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum besonders drängend. Die Genossenschaft denke neben der Errichtung von Mehrfamilienhäusern mit bezahlbaren Mieten auch über neue Modelle nach – etwa die gezielte Anmietung ungenutzter Etagen in Privathäusern durch die Genossenschaft oder die gemeinschaftliche Entwicklung von Lückenbebauung. Willerding: „Ein zentrales Ziel ist es, einfach und sozial gerecht neuen Wohnraum zu schaffen – für Alleinstehende wie für Familien.“
Die Diskussionsrunde war sich einig, dass man den Altbestand nicht vergessen und sich der Fokus nicht nur auf Neubauten richten dürfe. Die Sanierung bestehender Gebäude sei ein zentraler Hebel für Klimaschutz, Kosteneffizienz und Ortsbildpflege. Doch die Realität sei oft ernüchternd: Hochkomplexe Regelwerke, unverständliche Gesetzestexte und fehlende Kontinuität in der Förderpolitik führten zu Frust bei Bauherren und Handwerkern. Der Wunsch nach praxisnaher Begleitung durch Politik und Verwaltung war ein wiederkehrendes Thema des Abends. „Die Sanierung braucht politische Rückendeckung“, hieß es.
„Bauen muss wieder einfacher werden“, forderte Hartmut Moorkamp am Ende der Diskussionsrunde und betonte: „Wir haben im Emsland einen großen Bedarf an Wohnraum – gleichzeitig ist der Weg dorthin für viele zu kompliziert.“ Es brauche mehr Klarheit, Verlässlichkeit und politische Unterstützung – gerade bei der Sanierung von Altbestand. Was als ältere Bausubstanz erhalten werden könne, müsse nicht neu gebaut werden. Sowohl der Umbau als auch der Neubau müssten bezahlbar bleiben. Er kündigte an, die Impulse des Abends in die politische Arbeit auf Landesebene mitzunehmen und weiter im Gespräch mit Kommunen, Verbänden und Bauwirtschaft zu bleiben.

Bildunterschrift:
Eine Expertenrunde diskutierte auf Einladung des Landtagsabgeordneten Hartmut Moorkamp über aktuelle Fragen zum Thema „Bauen im Emsland“. Unser Foto zeigte von links Moorkamp, Michael Kiehl, Baudezernent des Landkreises Emsland, Jens Willerding, Bürgergenossenschaft Rhede (Ems) und Saskia Lüke-Bruns, Sparkasse Emsland.


